Vielleicht ist es der menschliche Drang zur Verdrängung, sich die Zeit bis zu bestimmten Ereignissen immer in abstrakten Zahlen vorzustellen. Zwei Jahre noch, dann bin ich mit dem Studium fertig. Zwei Wochen, dann muss ich meine Hausarbeit abgeben. Einen Monat, dann muss ich einen Nachmieter gefunden haben.
Und wenn sich „ein Monat“ zu kurz anhört, sagt man eben „noch über 30 Mal aufstehen“. Das vergrößert die Distanz irgendwie wieder.
Bloß in Gedanken bleiben solche Ereignisse oft nichts als das Unkonkrete in weiter Ferne, so schön unbedrohlich.
Und dann, dieser eine Augenblick, und von jetzt auf gleich setzt sich ein kleines aber bedeutendes Wörtchen vor unsere „noch“-Leier. Drei Buchstaben und irgendwie ist alles plötzlich anders.
NUR noch vier Wochen bis PROSA NOVA 2011.
Was wir uns seit Monaten in Seminaren auf dem Papier überlegten, die Ideen, die in der Theorie noch so utopisch sein durften, werden mit dem Start des neuen Semesters wie ein Schlag ins Gesicht wirklich – und zwar sowas von.
Aus einem Treffen pro Woche sind drei geworden, statt in den Uni-Räumen in sicherer Entfernung sitzen wir nun mitten auf dem zukünftigen Festivalgelände.
Es gibt ein windiges Klassenfoto-Shooting, die T-Shirts sind auch im Druck und auf einmal fühlen wir uns erstens: wie eine Gruppe, die zweitens: gemeinsam an etwas Großem arbeitet.
Eine offizielle Anlaufstelle für den Vorverkauf, der am 18. April gestartet ist, gibt es jetzt auch. Aus dem Büro der Bella Triste ist über Nacht das PROSANOVA Festivalbüro geworden und darauf wird erst einmal angestoßen. Eine offiziellere Geschichte mit Presse und den Förderern der Hildesheimer Sparkasse. Giftig grün liegt auch die neue BELLA-Ausgabe auf dem kleinen Holztisch. Schokokuchen gibt es und Sekt. Kaffee nicht, die Maschine ist vor ein paar Tagen kaputt gegangen. Die Servietten haben das gleiche Grün wie die Zeitschriften auf dem Tisch. Ein gutes Omen? – man wird ja doch ein wenig abergläubisch und greift nach so manchem Strohhalm der Fügung, der sich einem bietet.
Die Journalisten interessieren sich dafür, was wir Studenten denn dieses Mal auf die Beine gestellt haben. Ein paar Fragen, einige aufrichtige Sehr-Schöns und Händeschüttler. So richtig viel mehr passiert dann eigentlich auch nicht. Jedenfalls nicht hier, nicht am Neustädter Markt.
Zwei Kilometer weiter, im Hildesheimer Osten, auf dem Kasernengelände, wird derweil gespachtelt und gestrichen. Es gibt Scherben, Dreck und unbedenkliche Verletzungen vom mehrmaligen In-den-Finger-Bohren. Und das alles an einem Freitag, der uns Studenten doch eigentlich heilig ist.
Die Abriss-, Aufbau- und Anstricharbeiten in den Hallen der Mackensen Kaserne haben endlich begonnen und damit wird alles echter.
Erschöpft aber auch schon ein wenig stolz, auf jeden Fall zufrieden, machen wir es uns nach den vier, fünf Stunden Arbeit auf den Sofas bequem, der Grill wird angeschmissen und es gibt Feierabendbier. So richtig wie auf dem Bau. Toll!
Der Tag neigt sich dem Ende zu, irgendwann ist die letzte Wurst gegessen, etwas Bier ist noch da. Für heute geht die Sonne unter, doch die heiße Zeit die kommt erst noch.
von Franziska Christ |