26. - 29. Mai 2011 Hildesheim
Prosanova
Prosanova 2011
Gewinner des PROSANOVA-Wettbewerbs 2011
Am letzten Tag des Festivals für junge Literatur PROSANOVA wurde der PROSANOVA-Literaturwettbewerb entschieden. Preisträger des mit 1500 Euro dotierten Jury-Preises ist Christoph Weber. Den mit 500 Euro dotierten Publikumspreis erhielt Susanna Mewe.

Der PROSANOVA-Literaturwettbewerb 2011 widmete sich der jungen Prosa. Über 400
Texteinsendungen haben die Juroren Christian Döring, Inka Parei und Peter Reichenbach gesichtet. Neben den Christoph Weber und Sasanne Mewe lasen Kathrin Bach, Alina Herbing, Frank O. Rudkoffsky und Frauke Scheffler ihre Texte vor dem Publikum des PROSANOVA-Festivals.

altDer Preis der Jury ist von der Bürgerstiftung Hildesheim mit 1.500 Euro und zusätzlich durch die Künstlerhäuser Worpswede mit einem einmonatigen Aufenthaltsstipendium in Worpswede ausgestattet.
Der Publikumspreis besteht aus einem einmonatigen Aufenthaltsstipendium in Worpswede und einer einmaligen Zuwendung von 500 Euro für den Zeitraum des Aufenthalts. Der Publikumspreis wird von den Künstlerhäusern Worpswede ermöglicht.

 
PROSANOVA – Das Ende und der Anfang

Stellen wir uns vor, wir beträten ein altes, heruntergekommenes Kasernengelände. Stellen wir uns vor, dieses Gelände entspräche keiner einzigen wie auch immer gearteten Erwartung. Statt leeren Hallen gäbe es Teppiche, Gras und Sand. Statt alten Stühlen Sofas, Liegen und neue Bars. Stellen wir uns vor, dieses Gelände sei nicht länger tot und still, sondern vollgestopft mit Leuten jeden Alters, mit Lärm und Musik, und manchmal, in den ruhigen Stunden, gefüllt mit andächtigem Schweigen. Oder besser: Stellen wir es uns nicht vor, machen wir es einfach.

Zwei Wochen vor PROSANOVA sagt Viktor: Der Modus wird jetzt geändert, wichtigstes Kommunikationsmittel ist ab heute nicht mehr die Mail, sondern das Walky Talkie. Okay, sagen wir, Botschaft angekommen, ab heute wird hier noch mehr gearbeitet. Und von da an merkt man jeden Tag wie PROSANOVA mit dem Team und der Vorfreude wächst. Und wenn einer kommt und fragt, an welchem Abend denn Molton auftritt, weiß man, dass der ganz sicher nicht vom PROSANOVA-Team ist.

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Wir legen Teppich, sprühen Tiere, tragen Paletten, Stühle, Couchen, spannen weiße Laken von freundlichen Kasernennachbarn, bringen Lichtschläuche an, pflanzen Wiesen, rauben Blumen aus dem Müll und kleben, packen, falten die BELLA.

Jemand fährt zu Lidl oder zur Tanke (sonntags hat Lidl nämlich zu, das weiß man nur nicht mehr, weil jeder Tag PROSANOVA heißt) und holt Eis. Denn das braucht man, weil schon wieder zu wenige Nudeln da waren mittags.

Aufgaben werden zwei-, drei- oder viermal angefangen und nicht einmal beendet, aber das macht nichts, denn es ist PROSANOVA.

Großartige Leser, zwei Saxophonisten, eine Lagerfeuergitarristin mit Trommel und ein Chor verteilen sich an Bushaltestellen und impfen PROSANOVA in die Köpfe der Studenten ein. Und wer von den Einwohnern Hildesheims nicht völlig blind und taub ist, hat den Autokorso bemerkt, der eine Stunde lang neonfarben plakatiert und laut hupend durch die Straßen fährt. So lange, bis die Leporellos alle und die Autohupen heiser sind (ja, das stimmt wirklich).

Nun also: Noch zwei Tage bis PROSANOVA!

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Betreten wir jetzt noch mal das Festival-Gelände, diesmal ganz real. Denn wenn man dort steht am Eingang zu PROSANOVA – okay, die vielen Besucher fehlen noch, aber dafür muss man nur kurz die Augen schließen und schon sieht man sie vor sich – wenn man dort also steht, steigt der Adrenalinspiegel automatisch: Man ist seit langer Zeit mal wieder so richtig verliebt. Verliebt in PROSANOVA. Noch ist man sich nicht hundertprozentig sicher, ob es was werden kann, aber man hat ein sehr gutes Gefühl bei der Sache. Und da PROSANOVA nicht viel von monogamen Beziehungen hält, wird es wahrscheinlich noch ein paar mehr geben. 70 sind zumindest schon mal sicher.

Von Ronja Bornemann
 
Email-Interview mit Stefanie Sourlier
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Stefanie Sourlier, geboren 1979 in Basel, lebt nach einigen Jahren in Berlin gerade wieder in Zürich. Sie studiert Germanistik und Filmwissenschaften. 2006 nahm sie an der Autorenwerkstatt des Literarischen Colloquiums Berlin teil, erhielt das Arbeitsstipendium des Berliner Senats 2007 und einen Werkbeitrag des Kantons Zürich 2008. Im Februar 2011 erschien ihr erster Erzählungsband Das weiße Meer bei der Frankfurter Verlagsanstalt.

Veranstaltung: Inselsprachen

Ihrem Erzählband Das weiße Meer stellen Sie Zitate von Thomas Bernhard und The Smiths voran. In wie weit werden Sie durch Literatur und andere Medien inspiriert?

Literatur und andere Medien inspirieren mich sehr, es ist aber natürlich nicht so, dass sich dies alles in meinen eigenen Texten niederschlägt. Die Auseinandersetzung mit anderen Werken ist eher assoziativ und auf die Sprache, auf einzelne Sätze bezogen, die den Text öffnen, in ein anderes Licht tauchen sollen. Neben der Literatur spielt der Film eine wichtige Rolle, nicht nur im filmischen Erzählen, den Schnitten und Überblendungen, sondern auch in der Analogie von Filmbildern zu Erinnerungen. Auch Musik ist wichtig, wobei ich kaum je Musik höre beim Schreiben.

Ihre Erzählungen bestehen meist aus mehreren Fäden, die sich um einen Kern schlängeln. Haben Sie das von vornherein beabsichtigt?

Da das Verhältnis von Erinnerung und Gegenwart ein wichtiges Thema in den Erzählungen ist, und die Erinnerung kaum linear verläuft, ist dies beabsichtigt. Manchmal hatte ich zu Beginn eine Idee von diesem Kern, manchmal entstand er erst aus den einzelnen Sequenzen, Sätzen oder Bildern.

Was sind die Ausgangspunkte Ihrer Geschichten – Themen, Figuren, Erlebnisse, Sätze?

Dies kann ein Bild sein, wie die Frau, die Schneebälle an die Fenster wirft in der Erzählung „Schnee“, eine Vorstellung, wie das untergegangene Dorf im Stausee in „Nach Italien“, eine Erinnerung, eine Figur, die mich interessiert oder ein (Anfangs-)Satz. Ich schreibe genauso wenig linear wie die Geschichten aufgebaut sind.

Was stört Sie an der zeitgenössischen Literatur?

Nicht allzuviel. Vielleicht stört es mich, wenn die Literatur zu sehr bestrebt ist, einen Zeitgeist zu treffen. Wobei dies eher ein Problem der Rezeption als der Literatur selbst ist.

Was gefällt Ihnen daran?

Die Literatur, die Sprache, die mich immer wieder begeistern kann.

Wie sieht für Sie die perfekte Lesung aus?

Ich weiß nicht, ob es die perfekte Lesung gibt oder geben muss. Ich mag persönlich eher klassische Lesungen, ohne Musik, Performance oder Bildprojektionen, außer dies gehört explizit zum vorgetragenen Text. Autorenlesungen haben ja per se etwas Langweiliges und Unspektakuläres, da nichts Weiteres getan wird, als aus einem Buch vorzulesen. Ich muss jedoch gestehen, dass ich selbst eher selten zu Lesungen gehe. Nur wenn ich in Berlin bin, gehe ich regelmäßig zu den Verbrecherversammlungen des Verbrecher Verlags.

Was erwarten Sie von einem Literaturfestival?

Gute Texte und Lesungen. Sonst bin ich sehr gespannt und lasse mich überraschen.

Was hat sich für Ihr Schreiben verändert, seit Sie immer stärker mit dem Literaturbetrieb konfrontiert werden?

Nichts oder nur wenig, hoffe ich. Ich versuche den Literaturbetrieb nicht zu wichtig zu nehmen, schätze aber seine guten Seiten, z.B. die Begegnungen mit anderen Autorinnen und Autoren. Schreiben tue ich aber immer noch für mich allein.


Die Fragen stellte Alina Herbing
 
Email-Interview mit Philipp Schönthaler
alt Philipp Schönthaler, geboren 1976 in Stuttgart. Studium der Literaturwissenschaft und Kunst in Vancouver, Brighton und Konstanz. Im vergangenen Jahr war er Stipendiat der Autorenwerkstatt Prosa des Literarischen Colloquiums Berlin. 2012 wird sein erster Erzählband bei Matthes & Seitz erscheinen.

Veranstaltung: Inselsprachen

Wie würdest du deine Literatur beschreiben?


Vielleicht ist es einfacher zu sagen, was ich nicht machen will: ich habe kein Interesse an realistischen Schreibweisen, die die Welt beschreiben oder spiegeln wollen und dabei vorgeben, dass die Sprache ein mehr oder weniger neutrales Medium ist, das die Dinge lediglich benennt. – Die Problematik für ein Schreiben, das sich nicht der Dominanz des Realismus fügen will, liegt aber allgemein darin, dass es in der Literatur keine verbindlichen oder funktionierenden Traditionen gibt, an die man anschließen könnte. Begriffe wie ‚avantgardistisch’ oder ‚experimentell’ bleiben ohne eingehende Erläuterung inhaltsleer; und wenn man sie analysierte, würde man vielleicht nur zu dem Ergebnis kommen, dass man sich davon distanzieren muss.

Wie bist du zum Schreiben gekommen?

Erst spät. Zunächst war es wohl nur aus Verlegenheit, nachdem ich mit meinem Studium der freien Kunst in eine Sackgasse geraten war und nach etwas Neuem suchte, um mein Studium fortzusetzen. So besuchte ich eher zufällig einige Literaturseminare und habe dann aber auch recht bald angefangen, selber zu schreiben.

Du hast sowohl Kunst als auch Literatur studiert – beeinflusst dich die Kunst und wenn ja, wie?

Die Konzentration auf die Form – hier orientiere ich mich zweifelsfrei an der Kunst. Diese Frage nach der Bedeutung der Form interessiert mich maßgeblich in zweierlei Hinsicht. Erstens als theoretisches Problem, d.h. dass Inhalt und Form stets miteinander vermittelt sind, ein Zusammenschluss, der in der Kunst sehr viel klarer ausgeprägt ist als in der Literatur. Zweitens als historisch indizierte Fragestellung. Die moderne Kunstgeschichtsschreibung folgt noch über die 60er Jahre hinaus einem weitgehend teleologischen Narrativ, d.h. ein bestimmter Stil oder eine Entwicklung wie die Abstraktion sind erst zu einem bestimmten historischen Zeitpunkt denkbar. Die moderne Kunst definiert sich darüber, dass sie ihr Erbe niemals einfach übernimmt, sondern stets infrage stellt, modifiziert und aktualisiert.

Vergleicht man die Literatur mit der Kunst, dann arbeitet der Großteil der heutigen Literatur mit einem Form- und Sprachverständnis des 19. Jahrhunderts – eine Praxis, die in der Kunst völlig undenkbar wäre. Literatur, die sich als solche ernst nimmt (und hier hilft meines Erachtens der Blick auf die Kunst), muss danach fragen, wie ein Schreiben aussieht, das sich auf der Höhe der Zeit bewegt.

Du warst in Vancouver, Brighton und Konstanz. Was haben dir diese verschiedenen Orte gebracht. Haben sie dich und dein Schreiben beeinflusst?

Generell vollzieht sich das Schreiben unabhängig vom Ort – auch wenn konkrete Orte hier und da das Rohmaterial für Texte liefern. Für mich war es wichtig, für einige Jahre nahezu ausschließlich mit einer Fremdsprache zu leben und somit eine Distanz zur Muttersprache zu gewinnen. Anschließend war ich gezwungen, mir das Deutsch erneut anzueignen. Dies war im Rückblick ein sehr produktiver Prozess – aber das ist nur eine Vermutung.

Gibt es etwas oder jemand, das/der dich inspiriert?

Die Vorlage für Texte sind zweifelsfrei andere Texte. Ich lese generell aber wenig Literatur, obwohl es freilich auch hier einiges gibt, wie beispielsweise die Wiener Gruppe aus den 50iger und 60iger Jahren, die ich sehr schätze. Ansonsten beschäftige ich mich vor allem mit Theorie und mit unterschiedlicher Fachliteratur.

Wie sieht für dich die perfekte Lesung aus?

Die perfekte Lesung – diese Aufgabe steht noch aus. Auf jeden Fall kann sie nicht nur im Vorlesen eines Textes liegen, sondern sie nimmt den performativen Akt, den das Vorlesen als solches darstellt, in sich auf.

Wie setzt du experimentelle Texte in eine Lesung um?

Auch hier stehe ich noch ganz am Anfang. Bisher gibt es Versuche mit Gruppenlesungen. Den Text „shopping mall“ habe ich für eine Lesung in einer Mall geschrieben und bei der Lesung damals mit einem eigenen Video kombiniert. Auf den Baden-Württembergischen Literaturtagen vor 2 Jahren habe ich auf dem Münsterplatz in Konstanz eine Installation aufgebaut, in der ein Text über 3 Wochen ununterbrochen spielte und sich per Zufallsgenerator in immer unterschiedlichen Konstellationen fortsetzte. Das sind alles Konzepte, an denen ich gern weiter arbeiten will.

Worauf freust du dich am meisten, wenn du an PROSANOVA denkst?

Es ist mein erstes PROSANOVA, insofern habe ich keine klaren Vorstellungen, was mich erwartet. Aber ich bin auf alle Fälle begeistert von einem Festival, das die Literatur zum Anlass hat. Dass ich daran teilnehmen kann, freut mich natürlich besonders.

Was können wir in Zukunft von dir erwarten?

Zunächst im Frühjahr 2012 einen Erzählband, der bei Matthes & Seitz erscheinen wird.


Die Fragen stellte Vanessa Sander
 
Leise Töne schlagen andere an

Weil PROSANOVA der Knaller wird, werden ab dem 26. Mai ganz viele Leute auf dem Gelände der Mackensen-Kaserne zusammenkommen. Und wie das nun Mal so ist, wenn ganz viele Leute zusammenkommen, die großen Spaß haben, weil das Programm so ungeheuerlich gut ist, weil man mit unglaublich interessanten Menschen unfassbar anregende Gespräche führen kann, weil Konzerte und Partys dafür sorgen, dass es nicht nur in den Köpfen, sondern auch in allen übrigen Körperteilen tobt und deshalb auch keiner frühzeitig unter die Bettdecke schlüpfen mag:

Es wird laut werden.

Grund sich mit den nächsten Anwohnern gut zu stellen.

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„PROSANOVA - Nachbarn, Nachbarn - PROSANOVA!“, machten wir die beiden also letzten Sonntag am Tag der offenen Tür miteinander bekannt. Und PROSANOVA präsentierte sich den Gästen von ihrer Schokoladenseite, als Vision einer Gruppe Unermüdlicher, für die der Sonntag längst kein Sonntag mehr war, die pausenlos auf dem Kasernengelände werkelte, Fliesen verlegte, Tiere an die Wand sprayte, um die Räume, durch die früher Soldaten, später Kellerasseln patroullierten, langsam in Leseoasen zu verwandeln. Das brachte PROSANOVA viel Sympathie ein und neben Zusagen am Festival-Wochenende wieder auf der Matte zu stehen, auch Materialspenden, wie z.B. die ausrangierte kreisrunde Sitzgarnitur, an der zwischen den Lesungen (in sechs Tagen!) gediegen Getränke konsumiert werden können.

Zugegeben: Nicht alle Gäste waren Feuer und Flamme für PROSANOVA, manche interessierten sich auch mehr für die Würstchen, die da auf dem Grill brutzelten (endlich mal wieder ordentlich Fleisch!). Aber das fanden wir okay, man muss ja nicht sofort beieinander einziehen, zusammen essen ist doch schon ein gute Grundlage für eine respektvolle Beziehung. Dass PROSANOVA an diesem Tag der offenen Tür darüber hinaus der sozialen Kälte der urbanen Realität etwas entgegenwirkte und wir nun alle Modalitäten einer Diamantenen Hochzeit kennen: wie schön!

Liebe Nachbarn, jetzt wisst ihr Bescheid, klopft nicht mit Besenstilen gegen Wände, kommt rum, feiert mit oder freut euch von zuhause aus, dass Literatur im Jahr 2011 noch so viele Menschen wach halten kann! PROSANOVA zählt auf euch!

von Franziska Schurr

 
Email-Interview mit Niklas Bardeli
alt Niklas Bardeli, geboren 1983 in Hamburg. Nach einem Schauspielstudium am Mozarteum Salzburg studiert er seit 2009 am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 2010 war er Stipendiat des Klagenfurter Literaturkurses.

Veranstaltung: Inselsprachen

Du hast bevor du ans DLL gingst Schauspiel studiert. Inwieweit freut man sich einen Text vorzulesen, anstatt ihn abdrucken zu lassen? Gerade bei deinen Texten.

Ich freu mich. Ja, sie können sich schlechter dagegen wehren…

Die Veranstaltung, an der Du teilnimmst heißt: Inselsprachen. Dort müssen die Autoren 3 Stunden am Stück lesen. Hast Du Schiss, dass dir die Puste ausgeht?

Ganz ehrlich, davon haben sie mir nichts gesagt.

Die Besucher haben während der Veranstaltung die Möglichkeit zwischen den Autoren zu wechseln. Was muss man tun, damit sie die vollen 3 Stunden bei einem sitzen bleiben?

Auf jeden Fall brauche ich einen äußerst spannenden Hut.

Glaubst du an Lasershows und Feuerwerken auf Lesungen?

Hab ich noch nie erlebt. Klingt toll.

Was hältst du von Wassergläsern?

Ich trinke tatsächlich relativ selten Wasser.


Die Fragen stellte Juan Guse

 
Blinklichter pflanzen

Irgendwo da in der Mensaküche muss er sitzen, der Unipräsident. Er sitzt da über seinem Eintopf oder Strudel oder Nudelsalat und schaut sich eine zeitlang an, was die beiden jungen Herren da draußen treiben, mit ihren Tape-Rollen und neonfarbenen Plakaten. Dann schickt er den Koch da mal rüber, seinen bärtigen Lakai.

„Das muss alles weg.“, erklärt der uns, „Der Präsident hat das nicht gern. Die Gefahr, dass da jemand gegen die Türen läuft, ist einfach zu groß.“ Das macht natürlich Sinn: Mit pinkfarbener PROSANOVA-Werbung gekennzeichnete Glastüren sind für das menschliche Auge kaum noch sichtbar. Und zackbumm, schon türmen sich in der Mensa die Studenten mit gebrochenen Schädeln. Das kann niemand wollen. Das sehen wir ein.

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Was wir eigentlich anstatt „Ja, in Ordnung“, hätten sagen sollen: „Entschuldigen Sie, Herr Koch, aber wir führen hier Krieg.“ Denn so ist es: Wir führen hier Krieg mit offenem Visier, wir marschieren auf und tragen die leuchtfarbigen Waffen in beiden Händen vor uns her. Wir pflastern das hier jetzt zu. Wir haben keinen Respekt, nicht vor den Fenstern, nicht vor den Säulen, nicht vor den Plakaten der Uni-Menschenrechtsbeauftragten. „Seid dreist!“, hat Artur gesagt und Artur ist schließlich unser Chef.

Vor etwa zwei Wochen schwärmten die PROSANOVA Guerilla-Trupps zum ersten Mal über Hildesheim aus. Innenstadt, Oststadt, Nordstadt, Bahnhof, Domäne, Itzum. Alles muss plakatiert sein. „Es gibt eine legale und eine illegale Woche“, sagt Artur, dann werfen wir uns die Capes über und robben los. Wir pflanzen hier Blinklichter in alle Augenwinkel.

Erst in der illegalen Woche kommt Sand ins Getriebe der Plakatierungsmaschine. Weil Angst lähmt, die Angst vor den Stromkästen. „Clara hat gesagt, das kann ganz schön teuer werden“, sagt Artur, und wahrscheinlich hat Clara Recht. Möge die Stadt beide Augen zudrücken angesichts der als Werbeflächen schändlich missbrauchten Stromkästen und PROSANOVA mit Bußgeldern verschonen. Die unschöne Seite der Illegalität.

Plakatieren hat mit Ponys Reiten eben nichts gemein. Plakatieren ist gefährlich, Plakatieren wirft die Paranoiamaschine an. Irgendwann ist es nur noch eine Sache von Sekunden: Ausrollen, am Klebeband festbeißen, abreißen, ankleben, glattstreichen. Der eingeatmete Klebstoff macht schwach und willenlos, wir sind Plakatierungsroboter. Und: Wir sind Künstler. Wir lieben die große Aktion, pflastern ganze Domänentüren zu, nur um festzustellen, dass ein Wochenende reicht, um unser Werk verschwinden zu lassen, vergessen zu machen. In der Steinscheune gegenüber fahren wir die größten Geschütze auf. Das MOMA hat schon angerufen.

Am Ende wird schon alles gutgegangen sein. Und wir sind dann ein bisschen stolz, diese graue Stadt zumindest für ein paar Wochen ein bisschen rot und grün und gelb gemacht zu haben. Die Marienburger Höhe, sagt man, ist im Moment auch vom Mond zu sehen.

von Andreas Thamm

 
donnerstag ist dönertag - PROSANOVA 2011 schulprogramm
irgendwie riecht es in einer schule anders als in einer uni. vielleicht verwenden sie dort anderes putzmittel, extra, damit niemand länger als 13 jahre lang den gleichen geruch ertragen muss.

noch 14 tage bis prosanova und der unterricht beginnt um 9:45 uhr. also, eigentlich beginnt er schon viel früher und man traut sich schon fast nicht mehr guten morgen zu sagen, wenn man die müden schüler sieht. aber prosanova beginnt im scharnhorst gymnasium um 9:45 uhr. kurz davor ist große pause und das ist hart: wenn man offensichtlich zu klein ist, muss man auf den schulhof, keine widerrede und obwohl man dadurch zu spät zum diktat kommt. ist man groß genug, steht man drinnen in kleinen gruppen zusammen und greift dezent zum pausenbrot. wenn man keine lust auf pausenbrot hat, gibt es käse- oder schokobrötchen. manchmal pizza, manchmal hotdog und donnerstag ist dönertag.

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irgendwie ist das mit der schule schon lange vorbei und das ist perfekt so und trotzdem, auf den pausengong reagiert man ein bisschen so wie die schäferhunde von pawlow. es kommt einem falsch vor, einfach stehen zu bleiben und gar nichts zu tun, also bewegt man sich. wir gehen hoch, jeder starrt auf das linoleum der treppenstufen und atmet ein wenig den andern ein. dann bleibt man wieder stehen, bis ein lehrer kommt und den raum aufschließt.

prosanova ist im scharnhorst gymnasium in drei räumen und prosanova sind im scharnhorst gymnasium drei personen: alina herbing, maren kames und marielle schavan. jede verschwindet mit fünfzehn siebzehnjährigen in einem der kleinen räume. die sind natürlich retro: eigelbfarbene gardinen und toilettengrüne türen.

in alinas gruppe sind 12 jungs und 2 mädchen. deswegen soll es die lustigste gruppe sein. die jungs haben auffallend oft vornamen mit l, das l muss vor siebzehn jahren in hildesheim der renner gewesen sein, jetzt ist es das p (wer, wer, wer nennt sein kind als erstes prosanova). die jungs und die 2 mädchen sollen selbstgeschriebene romananfänge vorlesen. und wenn danach darüber diskutiert werden soll, dann geht es nicht um das ist scheiße, erklärt alina. einer nach dem anderen liest leise vor und alles klingt nach der möglichkeit, ein mindestens 300 seiten langer psychothriller zu werden. meistens verliert jemand das bewusstsein, einmal macht einem jugendlichen das quälen spaß und in einem anderen text erinnern die kadaver toter tiere an strangalierte verbrecher. nur das eine mädchen schreibt über andere irgendwie alltäglichere probleme. super, es war nichts nicht-spannendes dabei, fasst alina zusammen.

auf der tafel richtungsvektoren, dezimalzahlen und je vais manger. auf den tischen fineliner in federmäppchen, darunter eastpackkolonie. und dann lesen sie laura naumanns demut vor deinen taten baby, nur leider fehlt viktor, denn der schwänzt. der eine sagt: also irgendwie wars ja witzig und besser als die dramen, die man in der schule liest. und der andere: irgendwann wird man ja bescheuert, wenn man nur sowas liest, oder?

und um zu beweisen, dass wir nicht bescheuert sind, bloß prosanova, versammeln sich alle zum abschluss in der aula. maren stellt das überhaupt nicht bescheuerte, sondern sehr geniale festivalprogramm vor und der lehrer scheint am begeistersten vom fußballspiel: da sollten wir hingehen, da könnte blut fließen, wittert er. und dann liest marielle eine kurzgeschichte über oma und opa und einen kirschbaum, bis es klingelt und jeder wieder zum schäferhund wird.

von Kathrin Bach
 
this is how we do it, baby
alt Noch 3 tage Zeit, die interaktive Rauminstallation „nichts bleibt, baby“ bei der Crowdfundingplattfomr startnext zu supporten und sich großartige Dankeschöns zu sichern: Festivalfreikarten und Deluxe-Pakete mit vielen exklusiven Extras!
Weitersagen, denn jeder Euro zählt!


http://www.startnext.de/baby

https://www.facebook.com/nichts.bleibt.baby
Die Lyrikinstallation "nichts bleibt, baby" hat ein neues, geräumigeres Zuhause auf dem Festivalgelände bezogen und ist über einen eigenen eingang im Festivalhauptgebäude zu begehen. "nichts bleibt, baby" verfügt jetzt über eine eigene, separate Lounge, die in den Installationsraum führt: wir sägten, schraubten, spachtelten und malerten eine interaktive Kulisse in den Raum. Auch wenn sich mit dem Aufbau der Stellwände der Material- und Kostenaufwand um ein vielfaches erhöht hat, sind wir mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Wir sind der Idee des White Cube denkbar nahe gekommen. Bilder dazu gibt es auf unserer Projektseite bei www.startnext.de/baby.

Während wir Sonnenbrand und Muskelkater kultivieren, wird ein paar Kilometer weiter konzentriert programmiert. Der spannendste Teil des Aufbaus steht also noch bevor: nachdem wir den Raum mit den gezeichneten Möbeln und der teilweise realen Requisite ausstatten, kann die Technik, Herz und Hand der Installation, eingebaut werden. Die Gedichtfragmente wurden bereits von Ivana Rohr eingesprochen und warten auf ein Publikum, das sie zu einem wandelbaren Sprachraum verknüpft.

In zwei wochen ist es endlich soweit: Vom 26.05. - 29.05.2011 feiert "nichts bleibt, baby" Vernissage beim größten Festival für junge deutschsprachige Gegenwartsliteratur PROSANOVA. Der Eingang zur Installation befindet sich zwischen den Gebäuden der Hörspiel/Lese/Filmlounges und der Hauptveranstaltung. Der Eintritt zur Installation ist kostenlos.

 
Email-Interview mit Peter Neumann
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Peter Neumann, geboren 1987 in Neubrandenburg, lebt in Weimar. Studium der Philosophie, Politik und Wirtschaft in Jena und Kopenhagen. Förderpreis des Jungen Literaturforums Hessen-Thüringen. 2009 erschien der Gedichtband Schonung bei der Literarischen Gesellschaft Thüringen.


Veranstaltung:  Inselsprachen

Wie kamst du dazu, Gedichte zu schreiben?

Die Frage besteht ja aus zwei Fragen: Wie kam ich dazu, zu schreiben? und Wie kam ich dazu, explizit Gedichte zu schreiben? Die erste Frage lässt sich beantworten mit Hinweis auf einen Zeitraum, da man sich der Welt zum ersten Mal mitteilen möchte und glaubt, von der Welt missverstanden zu werden. Auf die zweite Frage habe ich keine Antwort.

Unter den Gattungen hat es die Lyrik wohl am schwersten. Worin liegt für dich ihr Potential?

Dass sie es am schwersten hat.

Was macht gute Lyrik aus?

Ich kann nicht sagen, was sie ausmacht: ich kann nur sagen, dass ich immer wieder lese: Gedichte von Hilbig, Kunze, Bobrowski.

Ursprünglich stammst du aus Neubrandenburg. Dein Gedichtzyklus Die Koje/´ die Nacht, der in der Bella Triste erschienen ist, handelt von ganz anderen Orten und du zitierst Uwe Johnson: Gefällt dir das Land nicht? Such dir ein anderes. Brauchst du die Fremde um zu schreiben?

Nein. Auch muss man hier unterscheiden: die Fremde vom Fremdsein. Denn selbst die Fremde lässt sich ja verorten. Aus der Fremde sind es soundsoviele Kilometer zum Festivalgelände.

Was bedeutet dir das Meer?

Das kommt auf das Meer an: ob Binnen- oder Randmeer, Meerenge, Sund, Kanal oder Meerstraße. Ich habe meine Schulzeit an einem Zungenbeckensee verbracht. Und manchmal hat der so getan, als wäre er ein Offenes Meer.

Planst du dein Schreiben?

Nein.

Woran arbeitest du zurzeit?

An einem Gedichtband.

Welche Rezeptionsform ist der Lyrik angemessener, das Lesen oder das Hören?

Gleichermaßen beides: Denn sowohl das Lesen wie auch das Hören stecken den Erlebnisraum Lyrik ab.

Wie sieht für dich eine gelungene Lyriklesung aus?

Autor und Publikum hegen ein gewisses Interesse füreinander.

Was erwartest du von einem Literaturfestival?

Eine vollständige Ummantelung mit Literatur.

Was hältst du für die perfekte Festivalernährung?

Türkischer Kaffee.

Auf welche PROSANOVA- Veranstaltung freust du dich besonders?

Haushaltsfragen: mit Elke Erb und Christian Filips.


Die Fragen stellte Franziska Schurr.

 


festival für junge literatur